Im Frühjahr 2022 fanden in unserer Region gleichzeitig zwei Ausstellungen über Ernst Kreidolf statt.
Einerseits wurde im Museum Rosenegg in Kreuzlingen die Ausstellung mit dem Titel
«Ernst Kreidolf Querbeet» gezeigt, dies vom 23. Januar bis zum 24. April 2022, Kuratorin Frau Dr. Yvonne Istas.
Und andererseits zeigte die Städtische Wessenberg-Galerie in Konstanz eine Ausstellung unter dem Titel «Ernst Kreidolf und die Pflanzen», welche vom 29. Januar bis zum 17. April 2022 dauerte. Kuratorin: Frau Dr. Barbara Stark.
Diese Ausstellungen inspirierten uns zu einer Würdigung von Ernst Kreidolf auf unserer Homepage. Ernst Kreidolf, ein Tägerwiler Bürger, welcher zwar die meiste Zeit seines Lebens in Bern verbrachte, lebte während seinen Jugendjahren rund zehn Jahre bei seinen Grosseltern auf dem Staudenhof oberhalb Tägerwilen. Diese Zeit prägte den jungen Ernst.
Kindheit und Jugend auf dem Staudenhof – 1863 bis 1879
Die ersten fünf Jahre seines Lebens verbrachte Konrad Ernst Theophil Kreidolf, geboren am 9. Februar 1863, in Bern.
Seine Eltern Jakob Kreidolf (1835–1904) und Anna Magdalena, geb. Herzog (1834–1893) , zogen 1868 mit ihren Kindern von Bern nach Konstanz, dies um ein eigenes Spielwarengeschäft aufzubauen.
Dort beschlossen die Eltern, den fünfjährigen Ernst in die Obhut seiner Grosseltern auf dem Staudenhof zu geben, zu Grossvater Johann Konrad Kreidolf und zu Grossmutter Anna Maria Kreidolf-Klemenz.
Dort lebte auch seine Tante und Gotte Marie Magdalena Kreidolf (1840–1924), welche sich 1869 mit David Heinrich König, Steinmetz, verheiratete. Sie war eine wichtige Bezugsperson für den fünfjährigen Ernst (siehe auch Gotte Mede). Ernst sollte nach den Vorstellungen des Grossvaters Landwirt werden und später den Hof übernehmen. Auch dem Grossvater wurde bald klar, dass aus seinem Enkel kein Bauer werden würde. Die Primarschule besuchte Ernst in Tägerwilen, die Sekundarschule in Emmishofen. Bereits in der Schule fiel er durch exakte Tier- und Pflanzenzeichnungen auf. Für die Lehrzeit wechselte Ernst zu seinen Eltern nach Konstanz.
«Generationenkonflikt bei den Kreidolfs auf dem Staudenhof»
Das Leben mit den Grosseltern auf dem Staudenhof war für den jungen Ernst kein Honiglecken. Für den Grossvater war es schwierig, weil er einsehen musste, dass sein Enkel Ernst nicht für den Bauernberuf geschaffen war.
Wenn Ernst eine Arbeit verkehrt machte, so sagte der Grossvater: «Je mehr du in die Schule gehst, desto dümmer wirst du!»
«Unser Verhältnis wurde immer gespannter. Beim Rübenheraustun im Spätherbst gab es einen grossen Krach. An einer der Rüben, die ich ausgerissen, war noch Erde darangeblieben. Der Grossvater schalt mich unmässig und nannte mich einen Dummrian. Ich nahm die Rübe und warf sie ihm im Zorn an den Kopf mit einem furchtbaren Schimpfwort ‘Mach’s selber, du …!’ Wütend langte er nach Steinen und Erdschollen und warf sie nach mir. Ich ergriff die Flucht, stürmte den Berg hinunter durchs Dorf nach Konstanz zu meinen Eltern. ‘So, jetzt ist’s aus mit dem Grossvater, jetzt geh ich nicht mehr nach Tägerwilen!’ Aufgeregt erzählte ich den Vorfall. Meine Mutter war ganz auf meiner Seite.
Der Vater aber urteilte anders: … «
Auf Druck des Vaters musste der Vorfall auf dem Staudenhof mit den Grosseltern besprochen werden:
«So einfach ist die Sache doch nicht. Du bist jetzt zehn Jahre lang bei den Grosseltern gewesen, sie haben dich aufgezogen, dich ernährt und dir viel Gutes getan. Schattenseiten gibt es überall. Nun einfach davonlaufen, das geht nicht. Du kommst heute abend mit mir nach Tägerwilen. …
Der Grossvater sass in seinem Lehnstuhl, ganz gelassen und mild. Er gab zu, dass er mich herausgefordert habe, doch das Schimpfwort hätte ich ihm nicht sagen dürfen.»
Das Verhältnis besserte sich jedoch nach der Konfirmation:
«An Ostern 1879 wurde ich konfirmiert und gleich nachher zog ich zum meinen Eltern nach Konstanz, um die Lithographenlehre anzutreten.
Von da ab änderte sich das Verhältnis mit dem Grossvater vollständig. Er trug mir nicht nur nichts nach, dass ich seine Pläne durchkreuzt und ihn verlassen, er respektierte es vielmehr, dass ich meinen Kopf durchgesetzt hatte. Wir wurden Freunde. Er interessierte sich sehr für meinen neuen Beruf und ging in seinen Angelegenheiten ganz anders aus sich heraus als bisher. Ich besuchte die Grosseltern oft nach dem Feierabend und freute mich, wie sie auch, jedesmal darauf. Es war den Grosseltern wohl auch allmählich klar geworden, dass ich mich nicht zum Bauern eigne.»
Berufswahl und Lehrzeit in Konstanz – 1879 bis 1883
Von 1879 bis 1882 absolvierte er eine Lehre als «Zeichnungslithograph» bei der Firma Schmidt-Pecht in Konstanz, wo ihn der Sohn des Lehrmeisters, Heinrich Schmidt-Pecht, unterstützte.
Nach Abschluss der Lehre arbeitete Ernst Kreidolf noch ein Jahr als Geselle bei seinem Lehrmeister, dies um seine Eltern finanziell zu unterstützen.
Dank des Verkaufs der Lithographie «Tägerweilen, 1883» konnte er sich einer künstlerischen Ausbildung zuwenden. Im Sommer 1883 verliess Ernst Kreidolf seine engere Heimat in Richtung München.
Studienzeit – München 1883 bis 1889
Am 3. Juli 1883 erfolgte der Abschied im Hafen von Konstanz, wo er das Schiff nach Lindau bestieg. Dort übernachtete er und in der Früh gings dann mit dem Zug weiter nach München. Hier studierte Ernst Kreidolf ab 1883 an der Kunstgewerbeschule und 1887 gelang ihm der Sprung an die Akademie der Bildenden Künste.
Mit seiner Heimat blieb er aber verbunden, u.a. über seine Mäzenin, Caroline Ammann-Merkle vom Hertler Tägerwilen.
Ausstellungen in Tägerwilen
1963 Gedächtnisausstellung zum 100. Geburtstag
Diese wurde von Walter Ammann, Schreinermeister, und Josef Seger, Prokurist, organisiert. Die Ausstellung fand im Sekundarschulhaus statt. Zur Eröffnung am 7. Juli sprach Dr. iur. Hans Buck, Kreuzlingen. Der Erlös von Fr. 3’800 wurde für den Bau eines Kreidolfbrunnens vorgesehen.
1985 Ausstellung in der Bürgerhalle Tägerwilen
Fritz Christen organisierte diese Ausstellung, welche vom 12. bis 30. Mai stattfand.
1995 Ausstellung in der Sägestube der Alten Säge
Vom 14. bis 28. Mai fand eine weitere von Fritz Christen betreute Ausstellung statt. Dabei wurden Bilder von Ernst Kreidolf aus Tägerwiler Sammlungen und der Gemeinde Tägerwilen gezeigt. Der «Verein der Freunde Ernst Kreidolfs» nutzte die Gelegenheit, die Jahresversammlung im Rahmen dieser Ausstellung abzuhalten.
in Gedenken an Ernst Kreidolf
ab 1926
1960er
1967
Umzüge mit Sujets von Ernst Kreidolf
Ernst-Kreidolfstrasse
Einweihung des «Kreidolfbrunnen» beim neuen Gemeindehaus. Walter König, Malermeister, entwarf Brunnen mit Motiven von Ernst Kreidolf. Der Brunnen wurde durch die Steinhauerfirma Louis Sauter in Kreuzlingen hergestellt. Finanziert wurde er aus dem Erlös der Gedächtnisausstellung, Beiträgen der Gemeinde Tägerwilen und weiteren Spendern. Die Einweihung fand am 10. September statt und die Ansprache zur Eröffnung hielt Josef Seger.
Quellen
«Lebenserinnerungen» von Ernst Kreidolf, 1957, Verlag Rotapfel Zürich – Herausgegeben von Jakob Otto Kehrli
«Ernst Kreidolf 1863 – 1956» — Ausstellungsbroschüre 1985 Text von Fritz Christen und Vorwort von GA Paul Engeli
«Ernst Kreidolf Querbeet» — Texte für die Ausstellung 2022 von Frau Dr. Yvonne Istas, Leiterin Museum Rosenegg
Rolf Seger, Oktober 2022