Ernst Kreidolf 1863–1956

Ernst Kreidolf 1889 ¦ Selbstbildnis

Im Früh­jahr 2022 fan­den in unse­rer Regi­on gleich­zei­tig zwei Aus­stel­lun­gen über Ernst Kreidolf statt.

Einer­seits wur­de im Muse­um Rose­n­egg in Kreuz­lin­gen die Aus­stel­lung mit dem Titel
«Ernst Kreidolf Quer­beet» gezeigt, dies vom 23. Janu­ar bis zum 24. April 2022, Kura­to­rin Frau Dr. Yvonne Istas.
Und ande­rer­seits zeig­te die Städ­ti­sche Wes­sen­berg-Gale­rie in Kon­stanz eine Aus­stel­lung unter dem Titel «Ernst Kreidolf und die Pflan­zen», wel­che vom 29. Janu­ar bis zum 17. April 2022 dau­er­te. Kura­to­rin: Frau Dr. Bar­ba­ra Stark.

Die­se Aus­stel­lun­gen inspi­rier­ten uns zu einer Wür­di­gung von Ernst Kreidolf auf unse­rer Home­page. Ernst Kreidolf, ein Täger­wi­ler Bür­ger, wel­cher zwar die meis­te Zeit sei­nes Lebens in Bern ver­brach­te, leb­te wäh­rend sei­nen Jugend­jah­ren rund zehn Jah­re bei sei­nen Gross­el­tern auf dem Stau­den­hof ober­halb Täger­wi­len. Die­se Zeit präg­te den jun­gen Ernst.

Kindheit und Jugend auf dem Staudenhof – 1863 bis 1879

Die ers­ten fünf Jah­re sei­nes Lebens ver­brach­te Kon­rad Ernst Theo­phil Kreidolf, gebo­ren am 9. Febru­ar 1863, in Bern.
Sei­ne Eltern Jakob Kreidolf (1835–1904)  und Anna Mag­da­le­na, geb. Her­zog (1834–1893) , zogen 1868 mit ihren Kin­dern von Bern nach Kon­stanz, dies um ein eige­nes Spiel­wa­ren­ge­schäft auf­zu­bau­en.
Dort beschlos­sen die Eltern, den fünf­jäh­ri­gen Ernst in die Obhut sei­ner Gross­el­tern auf dem Stau­den­hof  zu geben, zu Gross­va­ter Johann Kon­rad Kreidolf  und zu Gross­mutter Anna Maria Kreidolf-Kle­menz.
Dort leb­te auch sei­ne Tan­te und Got­te Marie Mag­da­le­na Kreidolf (1840–1924), wel­che sich 1869 mit David Hein­rich König, Stein­metz, ver­hei­ra­te­te. Sie war eine wich­ti­ge Bezugs­per­son für den fünf­jäh­ri­gen Ernst (sie­he auch Got­te Mede). Ernst soll­te nach den Vor­stel­lun­gen des Gross­va­ters Land­wirt wer­den und spä­ter den Hof über­neh­men. Auch dem Gross­va­ter wur­de bald klar, dass aus sei­nem Enkel kein Bau­er wer­den wür­de. Die Pri­mar­schu­le besuch­te Ernst in Täger­wi­len, die Sekun­dar­schu­le in Emmis­ho­fen. Bereits in der Schu­le fiel er durch exak­te Tier- und Pflan­zen­zeich­nun­gen auf. Für die Lehr­zeit wech­sel­te Ernst zu sei­nen Eltern nach Konstanz.

«Generationenkonflikt bei den Kreidolfs auf dem Staudenhof»

Das Leben mit den Gross­el­tern auf dem Stau­den­hof war für den jun­gen Ernst kein Honig­le­cken. Für den Gross­va­ter war es schwie­rig, weil er ein­se­hen muss­te, dass sein Enkel Ernst nicht für den Bau­ern­be­ruf geschaf­fen war.
Wenn Ernst eine Arbeit ver­kehrt mach­te, so sag­te der Gross­va­ter: «Je mehr du in die Schu­le gehst, des­to düm­mer wirst du!»

«Unser Ver­hält­nis wur­de immer gespann­ter. Beim Rüben­her­aus­tun im Spät­herbst gab es einen gros­sen Krach. An einer der Rüben, die ich aus­ge­ris­sen, war noch Erde dar­an­ge­blie­ben. Der Gross­va­ter schalt mich unmäs­sig und nann­te mich einen Dumm­ri­an. Ich nahm die Rübe und warf sie ihm im Zorn an den Kopf mit einem furcht­ba­ren Schimpf­wort ‘Mach’s sel­ber, du …!’ Wütend lang­te er nach Stei­nen und Erd­schol­len und warf sie nach mir. Ich ergriff die Flucht, stürm­te den Berg hin­un­ter durchs Dorf nach Kon­stanz zu mei­nen Eltern. ‘So, jetzt ist’s aus mit dem Gross­va­ter, jetzt geh ich nicht mehr nach Täger­wi­len!’ Auf­ge­regt erzähl­te ich den Vor­fall. Mei­ne Mut­ter war ganz auf mei­ner Sei­te.
Der Vater aber urteil­te anders: …
«

Auf Druck des Vaters muss­te der Vor­fall auf dem Stau­den­hof mit den Gross­el­tern bespro­chen werden: 

«So ein­fach ist die Sache doch nicht. Du bist jetzt zehn Jah­re lang bei den Gross­el­tern gewe­sen, sie haben dich auf­ge­zo­gen, dich ernährt und dir viel Gutes getan. Schat­ten­sei­ten gibt es über­all. Nun ein­fach davon­lau­fen, das geht nicht. Du kommst heu­te abend mit mir nach Täger­wi­len. …
Der Gross­va­ter sass in sei­nem Lehn­stuhl, ganz gelas­sen und mild. Er gab zu, dass er mich her­aus­ge­for­dert habe, doch das Schimpf­wort hät­te ich ihm nicht sagen dürfen.»

 Das Ver­hält­nis bes­ser­te sich jedoch nach der Kon­fir­ma­ti­on:
«An Ostern 1879 wur­de ich kon­fir­miert und gleich nach­her zog ich zum mei­nen Eltern nach Kon­stanz, um die Litho­gra­phen­leh­re anzu­tre­ten.
Von da ab änder­te sich das Ver­hält­nis mit dem Gross­va­ter voll­stän­dig. Er trug mir nicht nur nichts nach, dass ich sei­ne Plä­ne durch­kreuzt und ihn ver­las­sen, er respek­tier­te es viel­mehr, dass ich mei­nen Kopf durch­ge­setzt hat­te. Wir wur­den Freun­de. Er inter­es­sier­te sich sehr für mei­nen neu­en Beruf und ging in sei­nen Ange­le­gen­hei­ten ganz anders aus sich her­aus als bis­her. Ich besuch­te die Gross­el­tern oft nach dem Fei­er­abend und freu­te mich, wie sie auch, jedes­mal dar­auf. Es war den Gross­el­tern wohl auch all­mäh­lich klar gewor­den, dass ich mich nicht zum Bau­ern eigne.»

Sze­ne mit dem Gross­va­ter — ein­deu­tig: zweideutig

Berufswahl und Lehrzeit in Konstanz – 1879 bis 1883

Von 1879 bis 1882 absol­vier­te er eine Leh­re als «Zeich­nungs­li­tho­graph» bei der Fir­ma Schmidt-Pecht in Kon­stanz, wo ihn der Sohn des Lehr­meis­ters, Hein­rich Schmidt-Pecht, unter­stütz­te.
Nach Abschluss der Leh­re arbei­te­te Ernst Kreidolf noch ein Jahr als Gesel­le bei sei­nem Lehr­meis­ter, dies um sei­ne Eltern finan­zi­ell zu unter­stüt­zen.
Dank des Ver­kaufs der Litho­gra­phie «Täger­wei­len, 1883» konn­te er sich einer künst­le­ri­schen Aus­bil­dung zuwen­den. Im Som­mer 1883 ver­liess Ernst Kreidolf sei­ne enge­re Hei­mat in Rich­tung München.

Studienzeit – München 1883 bis 1889

Am 3. Juli 1883 erfolg­te der Abschied im Hafen von Kon­stanz, wo er das Schiff nach Lin­dau bestieg. Dort über­nach­te­te er und in der Früh gings dann mit dem Zug wei­ter nach Mün­chen. Hier stu­dier­te Ernst Kreidolf ab 1883 an der Kunst­ge­wer­be­schu­le und 1887 gelang ihm der Sprung an die Aka­de­mie der Bil­den­den Künste.

Mit sei­ner Hei­mat blieb er aber ver­bun­den, u.a. über sei­ne Mäze­nin, Caro­li­ne Ammann-Merk­le vom Hertler Tägerwilen.

Wei­te­re Sta­tio­nen sei­nes Lebens gemäss den «Lebens­er­in­ne­run­gen»:

                                 Kur­auf­ent­halt in Par­ten­kir­chen 1889 bis 1895 

                                 Hof Schaum­burg-Lip­pe 1895 bis 1896, in Bücke­burg

                                 Um die Jahr­hun­dert­wen­de – u.a. Sylt 1906

                                 Der Krieg 1914 – 1918 mit Rück­kehr in die Schweiz 1916

                                 Ber­ner Zeit ab 1917

Ausstellungen in Tägerwilen

1963          Gedächt­nis­aus­stel­lung zum 100. Geburts­tag
Die­se wur­de von Wal­ter Ammann, Schrei­ner­meis­ter, und Josef Seger, Pro­ku­rist, orga­ni­siert. Die Aus­stel­lung fand im Sekun­dar­schul­haus statt. Zur Eröff­nung am 7. Juli sprach Dr. iur. Hans Buck, Kreuz­lin­gen. Der Erlös von Fr. 3’800 wur­de für den Bau eines Kreidolf­brun­nens vorgesehen.

1985          Aus­stel­lung in der Bür­ger­hal­le Täger­wi­len
Fritz Chris­ten orga­ni­sier­te die­se Aus­stel­lung, wel­che vom 12. bis 30. Mai stattfand.

1995          Aus­stel­lung in der Säge­stu­be der Alten Säge
Vom 14. bis 28. Mai fand eine wei­te­re von Fritz Chris­ten betreu­te Aus­stel­lung statt. Dabei wur­den Bil­der von Ernst Kreidolf aus Täger­wi­ler Samm­lun­gen und der Gemein­de Täger­wi­len gezeigt. Der «Ver­ein der Freun­de Ernst Kreidolfs» nutz­te die Gele­gen­heit, die Jah­res­ver­samm­lung im Rah­men die­ser Aus­stel­lung abzuhalten.

in Gedenken an Ernst Kreidolf

ab 1926

1960er

1967

Umzü­ge mit Sujets von Ernst Kreidolf

Ernst-Kreidolfstras­se

Ein­wei­hung des «Kreidolf­brun­nen» beim neu­en Gemein­de­haus. Wal­ter König, Maler­meis­ter, ent­warf Brun­nen mit Moti­ven von Ernst Kreidolf. Der Brun­nen wur­de durch die Stein­hau­er­fir­ma Lou­is Sau­ter in Kreuz­lin­gen her­ge­stellt. Finan­ziert wur­de er aus dem Erlös der Gedächt­nis­aus­stel­lung, Bei­trä­gen der Gemein­de Täger­wi­len und wei­te­ren Spen­dern. Die Ein­wei­hung fand am 10. Sep­tem­ber statt und die Anspra­che zur Eröff­nung hielt Josef Seger.

Quellen
«Lebenserinnerungen» von Ernst Kreidolf, 1957, Verlag Rotapfel Zürich –  Herausgegeben von Jakob Otto Kehrli
«Ernst Kreidolf 1863 – 1956» — Ausstellungsbroschüre 1985 Text von Fritz Christen und Vorwort von GA Paul Engeli
«Ernst Kreidolf Querbeet» — Texte für die Ausstellung 2022 von Frau Dr. Yvonne Istas, Leiterin Museum Rosenegg

Die gan­ze Geschich­te kann man als PDF herunterladen:

Rolf Seger,  Okto­ber 2022

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