Die Geschichte der Rheinbad-Anstalt Taegerweilen und Gottlieben
Im Mittelalter, als der Bischof von Konstanz Gottlieben gründete, zog er die Gemeindegrenzen bewusst so eng, dass die Menschen keine Landwirtschaft betreiben konnten, sondern vom Seerhein leben mussten: Handeln und Fischen.
So sicherte er sich seinen Fischzehnten und gefährdete zugleich das Leben seiner Fischer. Denn damals konnte kaum jemand schwimmen, auch die Fischer nicht. Schwimmen können war lange eine Sensation:
Noch um 1800 herum gab es zum Beispiel in Städten Schwimmvorführungen. Nach dem Bezahlen eines Eintrittsgeldes konnten die Künste eines Schwimmlehrers bewundert werden.
So ging es bei den Badeanstalten, die ab 1850 immer häufiger am Bodensee gebaut wurden, nicht in erster Linie ums Schwimmen, sondern ums Baden, um die Körperhygiene. Denn noch um 1900 wiesen die meisten Wohnungen keine Badezimmer und auch kein fliessendes Wasser auf. Immer mehr Menschen lebten auf engerem Raum, produzierten immer höhere Abfallberge. Eine bessere Hygiene war dringend nötig. Unter Hygiene verstand man nicht nur körperliche Reinlichkeit, sondern vielmehr wurde Hygiene zu einem moralischen Begriff: Hygiene wurde zum Inbegriff für Sittlichkeit und moralisch einwandfreiem Leben.
1873 baute die Anonyme Actiengesellschaft Taegerweilen und Gottlieben die Rheinbad-Anstalt: Ein Kastenbad, wie es typisch war: Über einen Steg vom Land aus zu erreichen, E‑förmiger Grundriss, zum Ufer hin geschlossen und abweisend, strikt geschlechtergetrennte Einrichtungen: Kabinen, Warmbäderzellen (Kabinen mit Badewannen und Öfen, um das Badewasser zu erwärmen). Der Neubau wurde mit 4’500 Franken brandversichert und noch im Sommer 1873 in Betrieb genommen.
Grundsätzlich entsprach der Grundriss der Rheinbad-Anstalt Taegerweilen Gottlieben der prototypischen Skizze, wie wir sie hier zeigen. Allerdings war die Anlage deutlich kleiner. Sie wies zum Beispiel lediglich zwei Wannenbäder auf: eines auf der Frauen‑, das andere auf der Herrenseite.
Mit einer Flügelpumpe wurde Rheinwasser heraufgepumpt, in ein Kupferbecken geleitet, unter dem ein Feuer brannte, und so erwärmt. Von dort wurde das warme Wasser mit einem grossen Schöpflöffel in die Wannen gegossen.
Alte Gottlieber und Gottlieberinnen erinnern sich heute noch, dass ihre Grosseltern vor Feiertagen in der Rheinbad-Anstalt ein Reinigungsbad nehmen mussten.
Laut Kassabericht aus dem Jahr 1881 verbrauchte man einen Ster Holz. Damit wurde Warmwasser für 183 Bäder aufgeheizt. 1933 heizte man mit der gleichen Menge Brennholz 105 Bäder. Das legt den Schluss nahe, dass 1881 die Wassertemperatur in der Badewanne — sagen wir einmal — mässig gewesen sein muss!
Wo die Rheinbad-Anstalt lag:
östlich des Schlosses, auf der Karte links gut zu erkennen;
in den 1930iger Jahren baute man das heute noch bestehende Zollbootshaus westwärts (Karte rechts)
1883, also lediglich zehn Jahre nach der Gründung wurde die Actiengesellschaft aufgelöst und die Anstalt den beiden Ortsgemeinden Tägerweilen und Gottlieben geschenkt! Grund für die grosszügige Schenkung: Die Rheinbad-Anstalt war defizitär! 1881 wurden noch sechs Abonnemente verkauft, 1922 war es gerade noch eines. 1881 wurden 183 Warmbäder aufbereitet, 1933 noch deren 105. 1881 wurden 1’207 Eintritte von Kindern verzeichnet, 1933 waren es noch 164.
Die Ortsgemeinden übernahmen und stellten fest, dass auch sie das Ruder nicht herumreissen konnten. Als kostendämpfende Massnahme stellte man aber bald auf reinen Sommerbetrieb um.
Das Strandbad läuft den Bad-Anstalten den Rang ab!
Die Attraktivität der Bad-Anstalten hielt sich in Grenzen. Der Besuch der Kastenbäder erfolgte ja aus Gründen der Reinlichkeit. Sie boten den Gästen keine Bewegungsfreiheit; hier waren weder Spiel, Spass noch Musse erwünscht. Die enge Badeanlage machte aus dem Badebesuch kein Vergnügen, sondern eine periodische Verrichtung, die man zu absolvieren hatte.
Mit der Zeit änderten sich aber die Bedürfnisse, da man auch zu Hause dank der Wasseranschlüsse die Möglichkeit bekam, Körperpflege zu betreiben. Dazu kam auch das Bedürfnis nach Bewegung in der Natur, denn mit der Industrialisierung entstanden viele Arbeitsplätze, die weniger körperlichen Einsatz in geschlossenen, dunklen, schlecht belüfteten Räumen verlangten.
Darum ging es nicht allzu lange, bis die altehrwürdige Rheinbad-Anstalt verkauft wurde. 1933 kauften Private die Anlage für 500 Franken. Die neuen Besitzer bauten das Gebäude um und nutzten es als Bootshaus, das bis 1968 bestehen blieb, obwohl die kantonale Benützungskonzession bereits 1965 abgelaufen war.
Kurioserweise wurde beim Rückbau des Bootshauses vergessen, das Wegrecht aufzuheben. Und so kommt es, dass die Parzelle 729 mit 41 Quadratmetern Fläche immer noch den drei Besitzerfamilien gehört. Damit haben sie direkten Zugang zum Seerhein!
Heute sind lediglich noch die abgeschnittenen Pfähle östlich des Zollbootshauses im seichten Wasser zu sehen.
Ein paar hundert Meter rheinaufwärts wurde 1936 ein damalig modernes Strandbad eröffnet. Zehn Jahre früher — 1926 — war ein mögliches Strandbad Sujet beim traditionellen Tägerwiler Fasnachtsumzug. 1928 forderten Jungbürger eine neuzeitliche Badeanlage mit Badehütte als Strand‑, Luft und Sonnenbad.
Bruno Sutter, Dezember 2024