Dekan Künzler fördert Ernst Kreidolf

Im Pfarr­haus wohn­te — wer hät­te das gedacht — über lan­ge Jah­re die amtie­ren­de Pfar­rers­fa­mi­lie.
Das galt auch im 19.Jahrhundert für Pfar­rer und Dekan Künz­ler mit sei­nen Ange­hö­ri­gen. Er präg­te das intel­lek­tu­el­le und reli­giö­se Leben in Täger­wi­len jahr­zehn­te­lang mass­geb­lich und leuch­te­te mit sei­ner Per­sön­lich­keit und sei­nem Enga­ge­ment weit in den Kan­ton hinein.

Johann Kon­rad Künz­ler wur­de 1824 in Kess­wil gebo­ren. Nach dem Besuch des Leh­rer­se­mi­nars in Kreuz­lin­gen unter sei­nem ers­ten Direk­tor Johann Jacob Wehr­li (1790–1855) bil­de­te er sich an der Kan­tons­schu­le in St. Gal­len wei­ter. Nach Been­di­gung der Stu­di­en 1852 wur­de er zuerst Vikar in Kirch­berg und dann im Okto­ber 1852 Pfar­rer in Täger­wi­len.
An die­ser Stel­le blieb er bis zu sei­nem Tod am 18. August 1902, womit er 50 Jah­re als Pfar­rer in Täger­wi­len wirk­te. Seit 1528 hat­te kein ande­rer Pfar­rer so lan­ge in Täger­wi­len gedient.
Dane­ben wur­de er 1856 in die Auf­sichts­kom­mis­si­on des Semi­nars gewählt. Zudem war er ab 1862 Mit­glied und ab 1875 Prä­si­dent der Auf­sichts­kom­mis­si­on für die Armen­schu­le Bern­rain. Von 1858 bis 1864 amte­te er auch als Sekun­dar­schul­in­spek­tor. Und ab 1861 gehör­te er dem Thur­gaui­schen Evan­ge­li­schen Kir­chen­rat an, wel­chen er ab 1870 bis zu sei­nem Tod als Prä­si­dent wür­de­voll repräsentierte.

Auch Pfar­rer Künz­ler erkann­te Kreidolfs Bega­bung früh und för­der­te sein Talent auf viel­fäl­ti­ge Weise.

Zum einen liess er sich  und sei­ne Frau 1881 von Kreidolf por­trai­tie­ren. Der zwan­zig­jäh­ri­ge Kreidolf schuf zwei herr­li­che Arbei­ten, die heu­te ein wenig düs­ter wir­ken, aber von gros­ser Qua­li­tät sind. Sie hin­gen bis Mit­te der 1980iger Jah­re im Ein­gangs­be­reich des Obstu­fen­schul­hau­ses Tägerwilen.

Zum andern unter­stüt­ze Künz­ler Kreidolf bei sei­ner Lito­gra­phie von Täger­wei­len, die 1883 erstellt, gedruckt und — mit pfarr­herr­li­cher Unter­stüt­zung — gut ver­kauft wurde.

Kreidolf schrieb in sei­nen Lebenserinnerungen:

Sobald es draus­sen wär­mer wur­de, sass ich jeden Sonn­tag ober­halb Täger­wi­len am Foh­ren­bühl und zeich­ne­te. Für Ein­zel­an­sich­ten ging ich eini­ge­mal am Werk­tag mor­gens um fünf Uhr nach Täger­wi­len, um, ehe ich ins Geschäft muss­te, noch etwas zu erha­schen. Dann stell­te ich die Bil­der zusam­men, dass sie ein Gan­zes dar­stell­ten. Dann litho­gra­phier­te ich das Blatt, liess es dru­cken und durch ein Bäschen in alle Häu­ser mei­nes Hei­mat­dor­fes kol­por­tie­ren, das Blatt zu fünf­zig Rap­pen. Herr Pfar­rer Künz­ler gab dem Blatt ein emp­feh­len­des Begleit­schrei­ben mit, und so wur­den über vier­hun­dert Exem­pla­re abge­setzt. Mich dünk­te das ein kolos­sa­ler Erfolg. Strah­lend über­reich­te ich das Geld mei­nen Eltern und stimmt sie so mei­nen Wün­schen gefügiger.”

Leih­ga­be-Ver­trag für die Gemäl­de von Pfar­rer Künz­ler und sei­ner Frau
Am 1. Novem­ber 1986 schlos­sen die Pri­mar­schul­ge­mein­de Täger­wi­len und die Evan­ge­li­sche Kirch­ge­mein­de Täger­wi­len einen Leih­ga­be-Ver­trag ab, wonach die Pri­mar­schu­le die bei­den 1881 ent­stan­de­nen Gemäl­de von Ernst Kreidolf der Kir­che unent­gelt­lich und für unbe­stimm­te Zeit zur Ver­fü­gung stellt. Die Bil­der wur­den im neu reno­vier­ten Gemein­de­raum des Pfarr­hau­ses plat­ziert. Ende Febru­ar 2023 gab die Kirch­ge­mein­de die Gemäl­de wie­der an die Pri­mar­schu­le bzw. an die Volks­schul­ge­mein­de Täger­wi­len zurück.

Rolf Seger und Bru­no Sut­ter, April 2023

Quellen:
Kreidolf ¦ Lebenserinnerungen ¦ Rotapfelverlag Zürich
Thurgauer Chronik ¦ 1902 ¦ August

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert