Eine chronologische Geschichte
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Adolf Friedrich Meyer-Wolde
Am 11. Dezember 1908 kaufte Rittmeister a.D., Adolf Friedrich Meyer-Wolde, das Bauerngut Unter-Nagelshausen von Fritz Aebli, Landwirt und liess 1909/10 östlich des bestehenden Bauernhauses die Villa Altenbühl errichten.
Meyer-Wolde wurde am 3. April 1869 in Bremen geboren und ist um 1950 als Alterspensionär im Sanatorium Bellevue in Kreuzlingen gestorben. Seine Schwester war mit Robert Johann Binswanger, Sanatorium Bellevue Kreuzlingen, verheiratet.
Der Auftrag an die renommierten Architekten Bischoff & Weideli, Zürich war ein ganz besonderer: Der Bauherr wollte, dass das Haus im Äusseren und im Inneren den guten alten Landhäusern der Gegend entspreche. Das muss Architekten, die gewohnt sind, sich in ihren Bauten zu verwirklichen, schwergefallen sein. Aber Meyer-Wolde war kompromisslos. So verlangte er unter anderem, dass die Küche ins Kellergeschoss zu liegen kam. Ein Speisenaufzug verband Küche und Anrichte.
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Herrschaftlich, fürwahr! Die grosse geschwungene Treppe zum ersten Stock, parallel dazu ein internes Treppenhaus, das alle Stockwerke miteinander verbindet.
Die Arbeit der Architekten muss Eindruck gemacht haben, denn Bischoff & Weideli bekamen im Anschluss von der Familie Binswanger den Auftrag, das Verwalterhaus auf Brunnegg mit Scheune, Kuh- und Pferdestall zu erstellen.
Meyer-Wolde war auch Lehrer an der bekannten Schule Schloss Salem, die 1920 vom Prinzen Max von Baden, seinem Berater Kurt Hahn und dem bekannten Pädagogen Karl Reinhardt gegründet worden war. Auch in der Villa Altenbühl nahm er fremdsprachige Schüler auf, die Deutsch lernen wollten.
Heidy Brücher-Stierlin
Am 11. März 1946 kam Frau Heidy Brücher-Stierlin für 100’000.- Franken in den Besitz der Villa Altenbühl.
Adelheid Brücher-Stierlin, geb. 1911, stammte aus wohlhabendem Haus. Ihre Eltern besassen und betrieben Erstklass-Hotelbetriebe.
Ihr Vermögen versickerte aber in den Firmen, die ihr Mann, Georg Brücher, nicht erfolgreich führen konnte. Er musste beide Male Konkurs anmelden, und das geerbte Geld war verloren.
Frau Brücher-Stierlin entwickelte einen Plan: Sie wollte auf Altenbühl ein Reiterhotel einrichten: Als erstes die Villa zum Hotel umbauen und anschliessend die notwendigen Einrichtungen für den Reitbetrieb wie Reitbahn, Pferdestall, gedecktes Geläuf erstellen. Dafür mussten aber externe Geldgeber gefunden, Inserate in der NZZ geschaltet werden, denn die eigenen Mittel waren weg.
Darum reichte sie im November 1958 dem Gemeinderat Tägerwilen ein Gesuch um Erteilung eines Tavernenwirtschaftspatents auf Altenbühl ein.
Grünes Licht dafür erhielt sie vom Thurgauer Regierungsrat am 01. Juni 1959 mit der Auflage, dass beide Komponenten gleichzeitig realisiert werden müssen.
Der Wirteverband hegte in seiner Stellungnahme nämlich den Verdacht, dass «die Gesuchstellerin und ihr Ehemann nach Schaffung des Hotelbetriebes zu einer spekulativen Verwertung der Liegenschaft schreiten könnten und die Einrichtung eines Reiterhotels vorgegeben hätten, um die Bewilligung für einen Hotelbetrieb eher zu erhalten.»
Entweder konnte zu wenig Geld aufgetrieben werden, oder das Vorhaben war doch eine Nummer zu gross. Tatsache ist, dass an der Villa baulich nichts passierte und dass Frau Heidy Brücher-Stierlin Altenbühl bereits zwei Jahre später in andere Hände gab.
Hesta AG
Am 20. Juli 1961 wurde die Hesta AG aus Uster als Eigentümerin von Bauerngut und Villa im Grundbuch eingetragen. Das war eine Industrie-Holdinggesellschaft, die von Jakob Heusser-Staub, einem Zürcher Industriellen, geprägt war. In der Hesta Holding AG waren letztendlich drei grosse Industrieunternehmen vereinigt:
- Zellweger, Uster (Textil- und Technikindustrie),
- Luwa (industrielle Klimatechnik)
- Schiesser, Radolfzell (Textilunternehmen).
Der Gutshof wurde verpachtet. Mit der Villa hatte man andere Pläne: Vermutlich wollte die Konzernleitung dort ein Weiterbildungszentrum für die Kaderleute der Firmen in der Holdinggesellschaft eröffnen. Allerdings wurde es nie realisiert und darum die Villa bald einmal vermietet.
Erwin und Catharina Guggenheim-Hohl
Erwin und Catharina Guggenheim-Hohl konnten die Villa ab 1963 mieten. Sie betrieben darin eine Schule als Institut Hörnliberg.
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Acht Jahre vorher, 1955, eröffneten sie in Kreuzlingen ihre Privatschule in der Villa Hörnliberg (heute Jugendherberge). Beide hatten sie unter anderem Psychologie studiert und realisierten mit der Schulgründung ihren pädagogischen Traum, der auf den Theorien des Pädagogen Paul Geheeb (1870–1961) beruhte: «Werde, der du bist!»
Ursprünglich wollten die Guggenheims eine Schule für Hochbegabte eröffnen, aber im ältesten bekannten Inserat für das Institut Hörnliberg werben sie in der Neuen Zürcher Zitung vom 16. April 1956 folgendermassen:
«Schulmüdigkeit, dann Institut Hörnliberg Kreuzlingen. In wenigen Monaten werden schulmüde Knaben und Mädchen von 14 bis 19 Jahren wieder aufnahmefähig, lebensfroh und finden neuen Anschluss an ihre frühere Schulklasse (auch Gymnasium).»
Ausser in der NZZ warb die Schule auch immer wieder in Zeitschrift ‘DU. Zeitschrift der Kultur’.
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Ab 1961 gab es Pläne, das Seeburg-Areal zu überbauen. Darum gaben die Guggenheims 1963 den Standort in Kreuzlingen auf. Im gleichen Jahr konnten sie von der Hesta AG die Villa Altenbühl mieten. Der Name «Institut Hörnliberg» wurde als Marke mitgenommen.
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Das Schulgeld betrug im Jahr 1975 für Externe 500 Franken pro Monat, Interne mussten das Dreifache bezahlen. Im Dachgeschoss wurden für die internen Schüler sechs einfache Doppelzimmer eingebaut. Das Erlernen des Schulstoffes erfolgte in selbständiger Tätigkeit. Nicht beliebt, aber offenbar ein Grundsatz der Leitung war das Auswendiglernen. Die Lehrpersonen – meist mit kleinen Pensen angestellt – gingen reihum und betreuten jeden Schüler einzeln. In den Fächern Deutsch und Kunst gab es gemeinsame Unterrichtsphasen.
Eine Schule untersteht der kantonalen Aufsicht. Aber die Behörde stellte fest:
«Hörnliberg ist keine Schule, sondern mehr psychologische Begutachtungs- und Beobachtungsstation für über der Schulpflicht Stehende.» Weil das Ehepaar eben nur Jugendliche aufnahm, die ihre Schulpflicht bereits erfüllt hatten, ist in den Archiven des Erziehungsdepartements Thurgau praktisch nichts zu finden.
Im Sommer 1976 stürzte Erwin Guggenheim mit einem kleinen Privatflugzeug über Mexiko ab, seither gilt er als verschollen. Die Schule wurde von seiner Frau allein weitergeführt.
Schriftsteller Jochen Kelter schreibt im Buch Der Sprung aus dem Kopf 1981 über unser Dorf, dabei unter anderem auch über das Institut Hörnliberg:
Ausser dem Schulhaus, aus dem die Geranien und die Kinder den Kreuzverkehr überblicken, haben wir das Gymnasium Hörnliberg. Das liegt am Berg. Die Kühe vom schiefen Hof nebenan schielen herein, und eine hohle Gasse führt abwärts. Da können die Bübchen aus der Stadt nachpauken. Ohne Gewähr.
Mit diesen wenigen, prägnanten Worten umreisst Kelter den Eindruck, den man auch im Dorf von der Schule hatte. Dieser entstand unter anderem, wenn man an die wenigen Tägerwiler Schüler dachte, die auf Hörnliberg ihren Schliff bekommen sollten.
Diplomatischer, aber mit gleichem Kern, schreibt Moser in seiner Arbeit
Das Gymnasium Hörnliberg (1955–1989) als Fazit:
Man kann Hörnliberg als ein seriöses und erfolgreiches Nachhilfeinstitut bezeichnen, das seinen Preis hatte. Ob das Etikett ‘Reformpädagogik’ angemessen ist, ist eine andere Frage.
1989 schloss Frau Guggenheim die Schule, verkaufte Villa und Grundstücke, die sie 1981 von der Hesta AG kaufen konnte, an eine Immobilienfirma namens Hörnliberg Immobilien AG, domiziliert in Nagelshausen bei Tägerwilen.
Überhaupt ging es in der Schlussphase Schlag auf Schlag:
- 26. September 1989:
Eintrag der Firma Hörnliberg Immobilien AG im thurgauischen Handelsregister - 04. Oktober 1989:
Verkauf an die Hörnliberg Immobilien AG - 31. Oktober 1989:
Frau Guggenheim meldet sich bei der Gemeinde ins Ausland ab.
Hörnliberg Immobilien AG
Offenbar war der Name Programm. Dies bestätigt sich, wenn man nachliest, was unter ‘Zweck’ vom Handelsregister-Amt Thurgau veröffentlicht wird: … Die Gesellschaft beabsichtigt, die Grundstücke Parz.Nrn. 428 und 718 im Grundbuch Tägerwilen samt Inventar zum Kaufpreis von insgesamt höchstens Fr. 3’500’000 zu erwerben. …
Wie oben erwähnt, gehen diese beiden Parzellen am 4. Oktober 1989 in den Besitz der Immobilienfirma über.
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Auch das eine interessante Geschichte: Ein wohlhabendes Ehepaar aus Schaffhausen suchte für ein ebensolches befreundetes Ehepaar aus den USA einen standesgemässen Alterswohnsitz in der Schweiz. Auf Umwegen wurden sie auf Frau Guggenbühl bzw. auf Altenbühl aufmerksam. Da das amerikanische Paar von der Villa begeistert war, sie aber nicht kaufen wollte, wurde flugs die Hörnliberg Immobilien AG gegründet, die Villa gekauft und an das Ehepaar McIntyre vermietet.
Leider wurde der neue Hausherr auf Altenbühl krank und verlegte darum seinen Wohnsitz nach gut einem Jahr wieder in die USA.
Und: Die Firma Hörnliberg Immobilien AG suchte einen neuen Besitzer für Altenbühl.
Günther und Eva Wizemann-Hohl
Im Jahr 1991 kaufte das Ehepaar Günther und Eva Wizemann-Hohl die Villa. Sie brachten architektonische Ideen mit, die sie umsetzten.
Die Küche wurde vom Keller ins Parterre gehoben und in der ehemaligen Anrichte installiert, der Küchenhof ebenerdig aufgefüllt. Das Herrenzimmer wurde zur Bibliothek, die Nordterrasse zum Wintergarten.
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Offensichtlich waren Neuerungen im Aussenbereich: Eine Doppelgarage gegen Südwest, ein Swimmingpool mit Poolhaus im Park, beide Neubauten in holländischem Backstein ausgeführt. Der Park, der über lange Jahre mehr oder weniger sich selbst überlassen war, erfuhr eine gründliche Überarbeitung und Auffrischung.
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Urs W. und Ursula Seiler-Schnellmann
1998 konnten Herr und Frau Seiler das Anwesen erwerben. Sie suchten schon lange ein Zuhause, bei dem sie ihre Pferde auf dem Grundstück halten konnten.
Urs W. Seiler war Executive Vice President der Schweizerischen Bankgesellschaft und nach der Fusion zur UBS kurze Zeit Chairman Europa, Afrika und Mittlerer Osten, bevor er sich 1998 als Berater selbständig machte. Seine Frau Ursula war ebenfalls als Geschäftsführerin aktiv im Berufsleben.
Sie trafen in Altenbühl ideale Voraussetzungen zur Realisierung ihres Wohntraumes an: ein herrliches Haus, Grundstücke, die Pferdehaltung ermöglichten. Darum bauten sie auf der Ostseite des Anwesens einen Pferdestall im gleichen Stil gehalten wie das Poolhaus und die Garage.
An der Villa selbst gab es auch Veränderungen:
Der Wintergarten gegen Norden wurde aus ästhetischen Gründen zurückgebaut, die Terrasse blieb aber vollständig überdacht.
Die kleine Küche entsprach in keiner Weise den Vorstellungen eines Familientreffpunktes. Darum wurde die Bibliothek zu einer grossen Küche umfunktioniert und die ehemalige Küche als Wirtschaftsraum eingerichtet.
Mit viel Geschmack wurde das ganze Haus sanft renoviert, aufgefrischt und belebt.
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Wenn die aktuellen und auch die künftigen Besitzer weiterhin so engagiert und geschmackvoll ihr Eigentum pflegen und unterhalten, dann darf man getrost zuversichtlich in die Zukunft schauen:
Die Villa Altenbühl wird in ihrer Anmut und Schönheit bestimmt noch
viele Jahrzehnte über Tägerwilen im hellen Sonnenschein leuchten.
Januar 2025 ¦ Bruno Sutter
Quellen:
GigerKönigSurber: Tägerwilen — Ein Thurgauer Dorf im Wandel der Zeit
Peter Giger, Frauenfeld
P.Bär und HiVaS: Tägerwilen — Ein Blick in die Vergangenheit
Dr. Arnulf Moser, Konstanz: Das Gymnasium Hörnliberg (1955–1989)
Staatsarchiv Thurgau
Urs W. und Ursula Seiler, Altenbühl
Walter Egloff, Nagelshausen
Andreas Binswanger, Kreuzlingen
Ursula und Hans Grieshaber, Schaffhausen
Dr. Gianni Bomio, Zug
super Artikel, tolle Recherche