Willy Müller

Photograph

Es leb­ten schon vie­le Künst­ler in Gott­lie­ben. Einer davon war der aus dem nahen  Emmis­ho­fen stam­men­de Pho­to­graph Wil­ly Mül­ler, geb. 1884, wel­cher über 30 Jah­re sei­nes Lebens in Gott­lie­ben ver­brach­te. Es waren wohl sei­ne frucht­bars­ten Zei­ten, da er wäh­rend die­sen Jah­ren eine immense Zahl von Kunst­denk­mä­lern im Thur­gau pho­to­gra­phier­te, dies im Auf­trag des ers­ten Denk­mal­pfle­gers des Kan­tons Thurgau.

Mit dem fol­gen­den Bei­trag will ich an die­sen aus­ser­ge­wöhn­li­chen und her­vor­ra­gen­den Pho­to­gra­phen erin­nern, und zwar einer­seits mit bio­gra­phi­schen Anga­ben und ande­rer­seits mit vie­len von ihm auf­ge­nom­me­nen Pho­tos, vor­al­lem von Gott­lie­ben und Umgebung.

70 Willy Müller Portrait (StATG)
Wil­ly Mül­ler 1884 — 1981
Immer mit wachem Auge und Kamera
Albert Knoepf­li und Wil­ly Müller

Biographische Angaben

Als Wil­ly Mül­ler 1934 nach Gott­lie­ben zog, zähl­te er bereits 50 Jah­re. Er ent­stamm­te der Emmis­ho­fer Pyro­tech­nik­erfa­mi­lie Mül­ler. In jun­gen Jah­ren liess er sich durch den Maler Ernst Wür­ten­ber­ger, wel­cher eben­falls in Emmis­ho­fen leb­te, im Zeich­nen unter­rich­ten. Spä­ter wand­te er sich aber der Pho­to­gra­phie zu. Und er pho­to­gra­phier­te, was ihm Zufall und Inter­es­se vor die Lin­se brach­te. Erst im Alter von über 60 Jah­ren wand­te er sich den Inven­ta­ri­sa­ti­ons­auf­nah­men zu. Im Auf­trag von Albert Knoepf­li, wel­cher ab 1945 Inven­ta­ri­sa­tor der Kunst­denk­mä­ler des Kan­tons Thur­gau und ers­ter Denk­mal­pfle­ger war, schuf er ein grund­le­gen­des pho­to­gra­phi­sches Werk über die hie­si­gen Kunst­denk­mä­ler. Die­ses wur­de in der Rei­he „Die Kunst­denk­mä­ler des Kan­tons Thur­gau“ ver­öf­fent­licht. Allein im Band III „Der Bezirk Bischofs­zell“ (1962) fin­den sich 239 Abbil­dun­gen von Wil­ly Mül­ler. Aber auch im Band VII „Die Stadt Kreuz­lin­gen“ (2009), wel­cher 28 Jah­re nach sei­nem Tod erschien, fin­den sich immer noch 32 Abbil­dun­gen.
Die lan­ge und inten­si­ve Zusam­men­ar­beit mit Albert Knoepf­li führ­te zu einer Freund­schaft, wie dies durch meh­re­re Brie­fe belegt ist.

In Gott­lie­ben wohn­te Wil­ly Mül­ler zuerst am Schloss­park 9, im “Unte­ren Stein­haus”, und spä­ter dann an der Kirch­stras­se 5, im Haus “Zum Neu­en Kreuz. Sein Ate­lier hat­te er im Dach­ge­schoss des Gast­hofs „Zum Rhein­eck“. In die­ser Gott­lie­ber Zeit pfleg­te Wil­ly Mül­ler Bezie­hun­gen zum Maler Wil­helm Hum­mel und zum Dich­ter Ema­nu­el von Bod­man. Und auch mit des­sen Wit­we Cla­ra von Bod­man traf er sich bis­wei­len zum Plau­dern.
Im Jahr 1967 ver­liess der Pho­to­graph zusam­men mit der Sän­ge­rin Frau Tudor Gott­lie­ben in Rich­tung Kon­stanz. Spä­ter zog er dann in den Raum zwi­schen Meers­burg und Hei­li­gen­berg.
Am 26. Juni 1981 ver­starb der begna­de­te Pho­to­graph in Berg TG. Er wur­de auf dem Fried­hof Bern­rain bestattet.

Herrliche Anekdoten

Im „Thur­gau­er Jahr­buch 1976“ berich­te­te Albert Knoepf­li im Bei­trag „Drei Jahr­zehn­te thur­gaui­scher Denk­mal­pfle­ger“ in einem Abschnitt „Das Wan­dern ist des Mül­lers Lust“ über sei­nen wich­tigs­ten Pho­to­gra­phen. Gespickt ist die­ser Bei­trag mit schö­nen Anek­do­ten über Wil­ly Müller.

In Sir­nach leg­te er einst sei­ne nach einem Wol­ken­bruch völ­lig durch­näss­te Aus­rüs­tung auf den Altar, von wo das Was­ser dann hin­un­ter­rann. Danach begab er sich in die Sakris­tei und erkun­dig­te sich beim Pfar­rer:
„Wo händ Sie jetz die chai­be Chnoch­ech­äs­te?“,
da ihm der Begriff Reli­qui­ar gera­de ent­fal­len war.

In Frau­en­feld soll­te er im Auf­trag von Albert Knoepf­li Auf­nah­men des „Gug­gen­hür­li“ machen. Nach zwei Stun­den Suchens kehr­te er unver­rich­te­ter Din­ge zurück, weil er die­sen „Huren­güg­gel“ nicht gefun­den hatte.

Im Klos­ter Fischin­gen fehl­te bei Auf­nah­me­ar­bei­ten ein Ver­län­ge­rungs­ka­bel. Dar­auf­hin schick­te ihn der Denk­mal­pfle­ger zum Pater Direk­tor. Dort mel­de­te sich Wil­ly Mül­ler mit den Wor­ten:
„Herr Knoepf­li schickt mich, er sag­te, Sie hät­ten eine lan­ge Lei­tung“. 

Laudatio

Ein Kunst­werk in der Pho­to­gra­phie nicht zu ver­frem­den, nicht zu ver­fäl­schen, das ist selbst ein Kunst­werk“, so cha­rak­te­ri­sier­te Albert Knoepf­li im „Thur­gau­er Jahr­buch 1976“ das pho­to­gra­phi­sche Hand­werk von Wil­ly Mül­ler. Und wei­ter: „Begann die opti­sche Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Objekt, so leg­te er die ihm sonst eige­ne Scheu völ­lig ab, stell­te alles in sei­nen Dienst und ver­gass oft jede Rück­sicht­nah­me auf Mit­men­schen und Orte“.
Zum 80. Geburts­tag gra­tu­lier­te Albert Knoepf­li dem Jubi­lar mit einem Bei­trag in der Thur­gau­er Zei­tung vom 28. März 1964. Dar­in schrieb er: „Dar­um sind Dei­ne Auf­nah­men im bes­ten Sin­ne objek­tiv, frei von jeder per­sön­li­chen Effekt­ha­sche­rei, von jedem die Bild­wir­kung auf­peit­schen­den Lam­pen­fie­ber.“ Und zudem: „Das monu­men­ta­le Schwarz-Weiss lag Dir nicht und wenn Du kei­ne Bezie­hung zum Gegen­stand spür­test, dann warst Du schwer oder über­haupt nicht in Fahrt zu brin­gen. Was Dich aber ansprach, hat Dein Pho­to­gra­phen­herz immer ganz erobert und dann hast Du auch Dei­ne Mit­ar­bei­ter scho­nungs­los bean­sprucht“.
In einem Arti­kel „Kunst­denk­mä­ler und Pho­to­gra­phie“ von Albert Knoepf­li, wel­cher in der Thur­gau­er Zei­tung vom 27. März 1954 erschien, umschrieb er den Pho­to­gra­phen wie folgt: „Wil­ly Mül­lers Bil­der zeich­nen sich weni­ger durch augen­fäl­li­ge Kon­tras­te, unge­wöhn­li­che Beleuch­tung und Bild­aus­schnit­te als durch gros­sen Reich­tum an fei­nen Über­gän­gen und Zwi­schen­tö­nen aus, ein Reich­tum, der ver­eint mit natür­li­chem Ein­füh­lungs­ver­mö­gen und Schön­heits­emp­fäng­lich­keit zu jenen aus­ge­gli­che­nen, abge­klär­ten Ergeb­nis­sen führt, mit wel­chen er der thur­gaui­schen Kunst­denk­mä­ler-Inven­ta­ri­sa­ti­on einen sehr dan­kens­wer­ten Dienst erwies und hof­fent­lich noch lan­ge erwei­sen wird“.

69 Willy Müller mit Stativ (StATG)
Immer dabei: das Stativ

Photogalerie mit Schwerpunkt Gottlieben und Umgebung

Die Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau“

Das Lebens­werk von Wil­ly Mül­ler besteht in sei­nem gros­sen Bei­trag zur Inven­ta­ri­sa­ti­on der Kunst­denk­mä­ler des Kan­tons Thur­gau. Dies in Zusam­men­ar­beit mit Albert Knoepf­li, wel­cher als Inven­ta­ri­sa­tor des Kan­tons Thur­gau ab April 1946 im Amt war und ab Mit­te der 50er-Jah­re zudem auch noch als Denk­mal­pfle­ger waltete.

In den neun Bän­den „Die Kunst­denk­mä­ler des Kan­tons Thur­gau“ fin­den sich ins­ge­samt über 800 Pho­to­gra­phien von Wil­ly Mül­ler, wovon über 700 Pho­to­gra­phien in den Bän­den I bis IV. Nach­fol­gend die Autoren der neun Bän­de, deren Inhalt und Erscheinungsjahr.

Albert Knoepf­li
Der Bezirk Frau­en­feld (Band I/1950), Der Bezirk Münchwi­len (Band II/1955), Der Bezirk Bischofs­zell (Band III/1962) und Das Klos­ter St. Katha­ri­nen­thal (Band IV/1989)

Alfons Rai­man
Der Bezirk Dies­sen­ho­fen (Band V/1992)

Alfons Rai­mann und Peter Erni
Der Bezirk Steck­born (Band VI/2001) und Die Stadt Kreuz­lin­gen (Band VII/2009)

Regi­ne Abe­gg, Peter Erni und Alfons Rai­mann
Rund um Kreuz­lin­gen (Band VIII/2014)

Regi­ne Abe­gg und Peter Erni
Zwi­schen Boden­see und Bürglen (Band IX/2018)

Alle hier gezeig­ten Pho­tos befin­den sich im Kunst­denk­mä­ler-Archiv des Amtes für Denk­mal­pfle­ge in Frauenfeld.

Wei­te­re Pho­to­gra­phien aus die­sen Bän­den fin­den sich in den Bän­den „Die Kunst­denk­mä­ler der Schweiz“, her­aus­ge­ge­ben von der „Gesell­schaft für Schwei­ze­ri­sche Kunst­ge­schich­te“ unter fol­gen­dem Link: https://ekds.ch/library/book:125

Dank

Fol­gen­den Damen und Her­ren dan­ke ich für die Mit­hil­fe bei den Nach­for­schun­gen zum Pho­to­gra­phen Wil­ly Müller:

  • Beat Oswald, Archi­var, Staats­ar­chiv Thurgau
  • Chris­ti­an Hun­zi­ker, Lei­ter, und Nina Koh­ler, Samm­lung, See­mu­se­um Kreuzlingen
  • David Bru­der, Lei­ter, Muse­um Rose­n­egg Kreuzlingen
  • Esther Höp­pli, Prä­si­den­tin Bür­ger­ge­mein­de Gottlieben
  • Micha­el Men­te, Archi­var, Amt für Denk­mal­pfle­ge Kan­ton Thurgau

Bildernachweis

  • Amt für Denk­mal­pfle­ge Thur­gau (ADTG)
  • Archiv Bür­ger­ge­mein­de Gott­lie­ben (ABG)
  • Inven­tar Gott­lie­ben 1942 (InvGo)
  • Muse­um Rose­n­egg Kreuz­lin­gen (MRK)
  • See­mu­se­um Kreuz­lin­gen (SMK)
  • Staats­ar­chiv Thur­gau (StATG)
  • StATG 9’35, 0.5/22 (Foto­ab­zü­ge) und StATG 9’35, 1.8/135 (Kor­re­spon­denz)
  •  „Die Kunst­denk­mä­ler des Kan­tons Thur­gau“, Bän­de I bis VIII

Quellen zur Biografie

  • Albert Knoepf­li  „Mit Lei­ter und Kame­ra“ in „Unse­re Kunst­denk­mä­ler“, Band 1 (1950) Heft 2
  • Albert Knoepf­li  „Kunst­denk­mä­ler der Pho­to­gra­phie“ in Thur­gau­er Zei­tung vom 27. März 1954
  • Albert Knoepf­li  „Zum 80. Geburts­tag von Pho­to­graph Wil­ly Mül­ler in Gott­lie­ben“ in Thur­gau­er Zei­tung vom 28. März 1964
  • Albert Knoepf­li „Das Wan­dern ist des Mül­lers Lust!“ im Thur­gau­er Jahr­buch 1976, Sei­ten 21 bis 24

Febru­ar 2025 ¦ Rolf Seger

2 Antworten zu Willy Müller

  1. Hans Werner Wittich sagt:

    Herz­li­chen Dank für die Bil­der­zu­sam­men­fas­sung und die Text­bei­trä­ge, erwe­cken alte Erinnerungen.

  2. Ellenbroek Anton sagt:

    Lie­ber Rolf
    Herz­li­chen Dank für die Geschich­te von Wil­ly Mül­ler und die vie­len schö­nen Fotos.
    Erin­ne­run­gen in die Jugend­jah­re wur­den wie­der wach.
    z.b. an das“Rebhüsli” wo wir die ers­ten “Rauchversuche“probiert haben.

    Bes­ten Dank an den gan­zen Ver­ein für Euer Engagement.

    Toni

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