Zwei historische Schmuckstücke im Gemeindehaus

An der Stel­le des heu­ti­gen Gemein­de­hau­ses stand frü­her die Schmids­müh­le, eine der 9 Müh­len auf Täger­wi­ler Boden. Ihre Ursprün­ge reich­ten bis ins 16. Jahr­hun­dert zurück.

Schmids­müh­le vor 1967 — im Hin­ter­grund das neue Gemein­de­haus im Bau

Im Gemein­de­haus befin­den sich zwei his­to­risch inter­es­san­te Zeit­zeu­gen. Einer­seits der „Müh­li-Brief“ der Schmids­müh­le aus dem Jah­re 1825 und ande­rer­seits eine Kopie der kunst­vol­len Wap­pen­schei­be aus dem Jah­re 1629.

An die­ser Stel­le bedan­ke wir uns bei Gemein­de­prä­si­dent Mar­kus Thal­mann, wel­cher auf den „Müh­li-Brief“ auf­merk­sam gemacht hat und uns auch die Kopie der Wap­pen­schei­be gezeigt hat.

Zudem geht der Dank auch an Peter Giger, Mit­au­tor des Täger­wi­ler Buches von 1999, wel­cher beim Ent­zif­fern des „Müh­li-Briefs“ behilf­lich war.

Quellen:
Hans Nater, „Die alten Mühlen im Thurgau“, 1971, Seite 24
Paul Bär, „Tägerwilen – Ein Blick in die Vergangenheit, 1988, Seite 96
Giger, König, Surber „Tägerwilen – Ein Thurgauer Dorf im Wandel der Zeit“, 1999, Seiten 140–142 und 200

 

Mühli-Brief 1825

Nro. 105     des Ehe­haf­ten — Registers,

Wir Land­am­mann  und  Klei­ner Rath  des  Kan­tons Thurgau
urkun­den hiermit:

Dass, bey der in Gemäss­heit des drit­ten Abschnitts des Geset­zes vom
5ten Brach­mo­nath 1822, von Uns verant­stal­te­ten all­ge­mei­nen Untersu-
chung der Ehe­haf­ten im hie­si­gen Kanton

der Herr Johann Kon­rad Egloff

als Eigent­hü­mer der mit der Haus — Num­mer  43, bezeich­ne­ten soge­nann­ten
Schmids — M ü h l e zu Täger­wei­len
im Muni­zi­pal­be­zirk Täger­wei­len, und Amts­be­zirk Gott­lie­ben,
sich über die besi­zen­de Recht­sa­me zu die­sem Gewerbe
durch hoheit­li­chen Con­fir­ma­ti­ons Brief  d.d. 19 ten July 1763, 

voll­stän­dig aus­ge­wie­sen habe; und dass dem­nach der gedach­te Gewerb
in sei­nem der­mah­li­gen Bestand, nämlich:

zu 2 Mahlgängen
“  1 Mues­müh­le mit zwey Wasserrädern,
“  1 Kernrölle
“  1 Oelmühle 

förm­lich aner­kannt seye, um fer­ner­hin unter den Beding­nis­sen, die je-
weils das Gesetz vor­schrei­ben wird, und gegen Ent­rich­tung einer jähr­li­chen Reco­gni­ti­ons — Gebühr von fl. 1.- sowie eines Was­ser­zin­ses von
fl. 1.36  kr.  betrie­ben wer­den zu können.

Kraft gegen­wär­ti­ger Bestä­ti­gungs — Akte, wel­che mit Unsern gewohnten
Unter­schrif­ten, und mit dem Stan­des — Sie­gel ver­se­hen ist.

Gege­ben Frau­en­feld den  6 ten May 1825

Der Land­am­mann,
Prä­si­dent des Klei­nen Raths,

J. Morell

Der Staats­schrei­ber,

Mül­ler

Mühli-Brief der Schmidsmühle von 1825

Urkun­de        von 1825 – im Gemein­de­haus Tägerwilen

Erklä­run­gen:

Ehe­haf­ten
Wiki­pe­dia: seit Spät­mit­tel­al­ter kon­zes­si­ons­pflich­ti­ge Gewer­be wie Dorf­wirt­schaf­ten, Taver­nen, Müh­len, Schmied und Bad

Johann Kon­rad Egloff
Gemein­de­am­mann (1816–1831), Mül­ler und Statthalter

Con­fir­ma­ti­ons­brief
Bestä­ti­gung, Bekräftigung

Müh­le hat­te:
2 Mahl­gän­ge, 1 Mues­müh­le, 1 Korn­rel­le, 1 Oelmühle

Reco­gni­ti­ons­ge­bühr
für Taver­nen, Was­ser­rä­der, Was­ser­lei­tun­gen etc.

Namen
im 16. Jahr­hun­dert:  Bom­mer­müh­le – Fami­lie Bom­mer
im 17. Jahr­hun­dert:  Leon­hards­müh­le – Leon­hard Mül­ler
im 18. Jahr­hun­dert:  Schmids­müh­le – Leon­hard Schna­bel, Schmied

Besit­zer        
seit 1946 im Besit­ze der Gemein­de Täger­wi­len – dar­in:
- ers­te Gemein­de­kanz­lei ab 1946
- Poli­zei­pos­ten im 1. Stock

Abbruch im Jah­re 1965 und Neu­bau heu­ti­ges Gemein­de­haus 1967

Kopie der Tägerwiler Wappenscheibe

Ori­gi­nal im His­to­ri­schen Muse­um Thur­gau in Frauenfeld

Kopie im Gemein­de­haus Tägerwilen

Erschaf­fer des Ori­gi­nals: Hie­ro­ny­mus Speng­ler (1589 – 1635) aus Konstanz

Mit­te ein schwe­ben­der Engel mit seit­lich davon bibli­schen Sze­nen
- links der über die Fel­der gehen­de Sämann (Hin­weis auf Acker­bau)
- rechts zwei Kund­schaf­ter von Kana­an mit rie­si­ger Trau­be (Hin­weis auf Reb­bau)

Zen­trum über und unter Engel
- den Wald sym­bo­li­sie­rend, ein Vogel, Äpfel und Eicheln

Im Zen­trum das Wap­pen mit einem „Degen“ sog. Kurz­schwert bzw. Schweizerdegen

Mit­te seit­lich die Täger­wi­ler Kir­chen­pa­tro­ne Kos­mas und Damian

links Kos­mas mit Urin­glas, das ihn als Arzt kennzeichnet

unten links Wap­pen mit Pflug­schar

Im Zen­trum das Wap­pen mit einem „Degen“ sog. Kurz­schwert bzw. Schweizerdegen

rechts Dami­an mit Sal­ben­büch­se und Spach­tel, die ihn als Apo­the­ker ausweisen

unten rechts Wap­pen mit Reb­mes­ser

 

Wie der Kan­ton Thur­gau in den Besitz die­ser Wap­pen­schei­be gelang­te und wel­ches die Bedeu­tung die­ses hand­werk­li­chen Schmuck­stücks ist, erfährt der geneig­te Leser, die inter­es­sier­te Lese­rin im 15. Kapi­tel „Die Lebens­grund­la­gen“, ab Sei­te 140.

Quelle
Giger, König, Surber „Tägerwilen – Ein Thurgauer Dorf im Wandel der Zeit“, 1999, Seiten 140 — 142

Das Original und die Kopie

Grund­sätz­lich zei­gen Ori­gi­nal und Kopie die glei­chen Inhal­te.
Die klei­nen Unter­schie­de sind den­noch bemerkenswert.

Bis jetzt ist die Ent­ste­hung der Kopie immer noch unge­klärt.
Kann jemand wei­ter­hel­fen, die­ses Geheim­nis zu lüf­ten? Das wäre grossartig!

Ori­gi­nal von 1629
Kopie von ?
Ori­gi­nal von 1629

Kosmas und Damian — Eine schöne Legende

Die frühchristlichen Zwillingsbrüder Kosmas und Damian waren der Legende nach Heilkundige, die Kranke unentgeltlich behandelten und viele von diesen zum Christentum bekehrten. Sie werden als Heilige verehrt.
Der seit dem Ende des vierten Jahrhunderts in Aleppo und seit Anfang des fünften Jahrhunderts in Konstantinopel auftauchenden arabischen Legendenfassung zufolge waren Kosmas und Damian Kinder einer christlichen Mutter.
Kosmas und Damian sollen als Ärzte in Aigeai in Kilikien (im Süden der heutigen Türkei) tätig gewesen sein.
Ihnen gelang angeblich sogar eine Beintransplantation, nämlich der Ersatz eines verfaulten Beines eines weissen durch das eines verstorbenen schwarzen Menschen.

 

Sie überlebten unversehrt alle Versuche des römischen Präfekten Lysias, sie im Rahmen der Christenverfolgung unter Kaiser Diokletian zu ertränken, zu verbrennen sowie mit Steinen und Pfeilen zu töten und erlitten erst in der darauf folgenden Enthauptung das Martyrium.
Quelle: nach Wikipedia

In der Schweiz ist neben Täger­wi­len nur noch eine wei­te­re Kir­che die­sen bei­den Patro­nen geweiht. Sie steht in Mon, ober­halb von Tie­fen­cas­tel (GR).

 

Rolf Seger und Bru­no Sut­ter, April 2021

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